Goldene Revolver baumeln von der Decke und später wird einem klar, dass man von Anfang an wusste, dass noch eine/r daran lutschen würde. Eine Schwingtür schwingt. Die Performer tragen Pailletten. Es gibt Aperol Spritz und alle warten darauf, dass etwas passiert. Das ist der schönste Moment der performativen Installation „How to become a superhero of isolation“, die am Freitag im Mica Moca zu sehen war. Präsentiert von Superheroine of Vision und Nolundi Tschundi. Man steht so da und weiß nicht recht, was einen erwartet. Foyer? Ausstellung? Theater? Einen Vorhang gibt es jedenfalls keinen. Statt dessen mischt sich das „Bühnen“-Personal immer wieder unter die Leute. Manche/r trägt einen Ping-Pong-Ball im Mund.
Es wird viel zitiert, als dieser Abend dann doch – eindeutig theatral – beginnt. Robinson Crusoe ist zu erkennen. Wer, wenn nicht er, kann den Superhelden der Isolation als Vorbild dienen. Diese imitieren Radio Shows für einsame Herzen, üben sich in frasenhaften Liebeserklärungen und betteln um ihr Glück: „Kannst du mir nochmal sagen, ob ich hinreißend bin?“ Die Antwort verschwindet in Seifenblasen: „…und wollen, was du willst und vergessen, wer ich bin.“ Dann fängt eine/r an zu brüllen und rennt aus dem Raum. Eine singt von Einsamkeit. Einer steht auf dem Kopf, um sein Lächeln zu fixieren. Er wickelt sein Gesicht in Klarsichtfolie. „Die Anhänglichkeit der Menschen bildet den Ursprung all unserer Leiden.“ Aha. Dann fängt eine/r an zu brüllen und rennt aus dem Raum…
Ein bisschen überinszeniert kommt dieser Abend daher, ein bisschen eitel. Die Themen Einsamkeit und Isolation muss der geneigte Zuschauer aus den Zitaten heraus horchen, wenn er sie nicht grade ins Gesicht geschrien bekommt. Zum Glück ist man da vom Gratis-Cocktail schon ein bisschen angeduselt. Formal wird das bittersüße Gefühl des Verlorenseins, das vor Beginn der Performance kurz spürbar war, übertüncht von den überambitionierten Monologen und der Glamour-Kulisse. „Isolation ist die Macht über die Leere“ heißt es auf dem Kärtchen zur Vorstellung. Hier ist im Gegenteil alles ein bisschen zu voll gestopft, alles ein bisschen zu gewollt.
Die Show stielt den Performern, und das mitunter zum Glück, die Räumlichkeit. Mit Zwischenwänden und Glasfenstern ist der Raum so unterteilt, dass man nie ganz dabei, nie immer im Bilde ist. Es ist eins der oberen Stockwerke im Mica Moca im Berliner Stadtteil Wedding. Von dem neuen Projekt-Ort für künstlerisches Experimentieren gibt es noch einiges zu erwarten. „Der Superheld rüstet sich.“
In meiner Position als Fotograf und Beobachter habe ich die
leisen Szenen geschätzt, die Hinführung zur Aktion, die in ihrer
Isoliertheit für Poesie gesorgt haben.
Zum Beispiel Blicke durch die Scheiben- Schauspieler und Gäste,
die nur 2mm Plexiglas voneinander trennen. Sich
in einem Kontext bewegen. Interagieren, oder die Abkehr von
der Besuchermasse suchen? Blicke der Irritation, der Abstoßung
des Interesses, isolierte Blicke. Die kleinen Szenen, zwischen
Schauspielerinnen und Besuchern, Besucherinnen und Schauspielern.
Die Rezipienz der Rand- und Rahmenhandlung ist ein Fokus,
der in diesem Artikel nicht erfasst wird, auf den ich aber
hinweisen möchte weil ich weiss, dass viele Zuschauer diese
Momente erlebt und mitgenommen haben.
Lauter Slapstick verhallt manchmal in den Köpfen, aber das
ist keine Entschuldigung dafür, die ruhigen Momente am Rande
des Geschehens zu übersehen, die hinter 2mm Plexiglas stattfinden.
Des weiteren vermisse ich im Text die Beachtung der fotografischen
Arbeiten, die den Header des Artikels zieren und als installativer
Teil der Performance von den BesucherInnen rezipiert wurden.
Bleibt zu erwähnen, dass „How to become a Superhero of Isolation“
eine gut besuchte Veranstaltung war, alle Begrüssungscocktails
wurden getrunken.
Fotografische Dokumentation: http://www.glorioushit.de/?p=314
Die räumliche Situation und den teils vagen Status des Zuschauers im Verhältnis zur Performance habe ich auch als interessant wahrgenommen, wie im ersten und letzten Absatz des Textes anklingt. Umso bedauerlicher fand ich, dass der „laute Slapstick“ eben in meinen Ohren nicht verhallt ist, sondern die sanften Momente schlicht übertönt hat. Die Fotos sind daher eine besondere Ergänzung, da sie diese Momente visuell eingefangen haben. Danke für den Link!