Wenn es in Deutschland um Pornografie und Frauen geht, dann ist die prominenteste Assoziation wohl Alice Schwarzers PorNo-Kampagne, die in direkter Linie auf US-amerikanische feministische Pornogegnerinnen wie Andrea Dworkin zurückgeht. Der berühmteste Slogan dieser Bewegung war „Porno ist die Theorie. Vergewaltigung ist die Praxis“ und Zensur, am besten Verbot, schien ihren Vertreterinnen der einzige Weg, Pornografie zu handhaben. Virginie Despentes‘ Film „Mutantes – Punk, Porn Feminism“, der jetzt beim 6. Berliner Pornfilmfestival gezeigt wurde, dokumentiert einen anderen Ansatz. Seit den 1960er Jahren verknüpfen Frauen Feminismus, Sexarbeit und Pornografie zu eigenwilligen politischen Bewegungen. Mutationen, aus denen nicht nur die Porn Studies mit ihrer berühmtesten Vertreterin Linda Williams hervorgegangen sind, sondern auch eine kleine aber ansehnliche Riege weiblicher Pornografinnen.
Acht Beiträge zum Diskurs über „Female Porn“ zeigte das Festival in einer Kurzfilmreihe. Den Anfang machte eine selbstreflexive Doku, entstanden beim Pornfilmfestival vor zwei Jahren. In Katharina Szmidts „Cum different: Frauen machen’s anders“ erläutern weibliche Pornografinnen, was den Frauen-Porno vom Mainstream abhebt. Dass er dabei gleich zum „gehobenen Porno“ erklärt wird und die Macherinnen sich am liebsten gar nicht mehr als Pornografinnen bezeichnen wollen, spiegelt eine moralische Falle wieder, die Linda Williams in ihrem Porn Studies-Klassiker Hard Core beschreibt. Diese besteht darin ein Ideal vom weiblichen,
scheinbar authentischen, akzeptablen Sex […] gegen den unauthentischen und inakzeptablen Sex des ‚Anderen’ (als den pornografischen, gewalttätigen oder obszönen) abzusetzen.
Dass allerdings Pornos von und für Frauen genauso heteronormativ und ästhetisch eintönig sein können, wie es dem Mainstream häufig vorgeworfen wird, zeigt Louise Lushs „The thought of her“. Hier wird nicht nur ein ideal-typischer Männerkörper beim Wichsen gezeigt, seine Gedanken (die sich – von der Regisseurin verfasst – ausschließlich um eine sie, ihren Hintern, ihre Brüste etc. drehen) werden im Voice-Over gleich mit objektifiziert. Aber wer zu diesem Zeitpunkt kopfschüttelnd den Kinosaal verlassen und das Screening als Gesamtheit verpasst hat, dem ist einiges entgangen.
„Chatroulette“ von Maria Llopis zum Beispiel, die als Vertreterin jüngster spanischer Postpornografie auch in „Mutantes“ zu Wort kommt. Sie passt weder in die Mainstream-Pornoästhetik noch das Lady-Klischee à la Erika Lust und gerade deshalb bietet ihre Darstellung in „Chatroulette“ eine echte Alternative – dokumentarisch, sexy und humorvoll. Llopis hat jahrelange Erfahrung mit ihrem Punk-feministischen DIY-Projekt GirlsWhoLikePorno gesammelt, das in Barcelona zu einer produktiven politischen Bewegung rund um Pornografie und Queerness gehört.
Zum Abschluss der Kurzfilmreihe zeigt „Kaktus“ (Anna Treimann) wie wirklich kompliziert es ist, sexuelle Lust und Fantasien in Kategorien zu ordnen, sei es männlich/weiblich, normal/anormal, legal/illegal. Wer das feministische Tabu-Thema Vergewaltigung in humorvoll-berührenden 30 Minuten erhellend behandeln kann, dem gebührt Applaus. Ebenso wie den Kuratoren der Reihe, die ihre eigenen Diskurse – auch die gegenläufigen – kennen und sie auf der Leinwand plausibel zusammen gebracht haben.