Es wird viel passieren?Verbotene Liebe ist kein Ersatz für Marienhof

Seifen, Schwamm und Handtuch

Foto: flickr.com/photos/horiavarlan (CC-By)

Vor einem guten Monat wurde der deutsche öffentlich-rechtliche Vorabend einem radikalen Wandel unterzogen. Die ARD stellte „Marienhof“, die älteste deutsche Daily Soap, nach 18 Jahren Dauerbetrieb ein. Begründung: Sinkende Einschaltquoten. Die hat „Verbotene Liebe“ auch. Die zweite ARD-Soap kommt jedoch am Ende des Tages auf einen geringfügig höheren Marktanteil als „Marienhof“. Das war den Programmchefs Grund genug, „Verbotene Liebe“ von nun an in doppelter Länge zu zeigen. Statt türkischem Gemüsehändler und Floristin im Ruhestand  gibt es im ARD-Vorabend jetzt die geballte Ladung Adels-Schickeria. Wo vorher täglich so viele Minderheiten auf der Mattscheibe auftauchten, dass es fast schon amüsant war, palavert nun ein wohlhabend-weißes Hochglanzformat von Schlössern, Aktien und – mit nervtötender Penetranz – vom Wert der Familie.

Der britische Medienwissenschaftler David Morley analysiert in seinem 2000 erschienenen Buch „Home Territories: Media, Mobility and Identity“ die Zusammenhänge von Migration, Medienkultur und Heimatbegriff. Die letzte Bastion eines Traums von kultureller Homogenität ist laut Morley das heimische Wohnzimmer mit dem Fernseher im Mittelpunkt.

In so far as the television set is placed within the symbolic centre of the home, it can serve to disturb viewers’ symbolic sense of community by bringing unwanted strangers into their homes.

Hier lag die große Stärke von „Marienhof“. Seit 1992 wurden hier Themen verhandelt, die ansonsten eher zum Unterbewussten des TV-Mainstream gehören. Eingebettet in das Nachbarschaftsleben in einem fiktiven Stadtteil von Köln ging es um Einwanderungspolitik, Frauenerwerbstätigkeit (Stichwort: Lohnungleichheit!) und Arbeitslosigkeit. Zur Besetzung gehörte neben Schauspielern mit diversen verschiedenen Migrationshintergründen auch der körperlich behinderte Erwin Aljukic. Während jede Soap, die etwas auf sich hält, heute ihr homosexuelles Pärchen hat, thematisierte „Marienhof“ beispielsweise die komplexen Verstrickungen von Homosexualität und (muslimischer) Religiosität. Dabei kamen das genreeigene Pathos, die Cliffhanger und katastrophal wunderbaren Plots nicht zu kurz, die Soap-Fans so schätzen.

Nun ist die Produktionsfirma Grundy Ufa angetreten, um mit „Verbotene Liebe“ in 40 Minuten täglich „neue Maßstäbe“ zu setzen, so Geschäftsführer Rainer Wemcken. „Daily Drama“ heißt das Format, das hier etabliert werden soll; mit verträumt philosophischem Anfangs- und Endkommentar à la „Desperate Housewives“ und weichgezeichneten Bildern vom neuen Drehort Mallorca. Statt „unwanted strangers“ gibt es Sehnsuchtsbilder. Im Mittelpunkt steht „die Familie“ – als konkreter Drehbuch-Clan der von Lahnsteins und (wichtiger!) als abstraktes Konstrukt eines reaktionären Familienmodells.

Darin erfüllen Frauen die Rolle der braven Tochter (Helena), der treusorgenden Ehefrau ohne geschäftliche Mitsprache (Elisabeth) oder der reizenden Schönheit, die wichtige Kunden bezirzt (Marlene). Sollten sie doch mal selbst Erfolg haben, so nur als berechnender Vamp (Tanja) oder exzentrische Diva (wieder Marlene). Das Geschäftsmodell des Familienunternehmens sieht einen gönnerhaften, wenn auch distanzierten Draht zu den Angestellten vor, die in den Stallungen oder am Empfang arbeiten; einen Standesdünkel von dem die echten deutschen zu Guttenbergs und Co. noch lernen können.

Dieses Familienideal ist das Ziel aller Bestrebungen. Und es ist die Schlangengrube aus der das mythologische Unheil droht. So wird nicht nur die Inzest-Story zwischen den Zwillingen Jan und Julia wieder aufgekocht, mit der 1994 alles begann. Auch eine vertrackte Romanze zwischen der minderjährigen Kim und einem, „der ihr Vater sein könnte“ – und es tatsächlich ist – schlägt ihre Wellen. Man bleibt im wahrsten Sinne des Wortes unter sich. Die Repräsentation von Minderheiten wie sie noch in „Marienhof“ geschehen ist, weicht medial verträglichen Plot-Skandälchen. Der gesellschaftliche Mehrwert, an dem den Öffentlich-Rechtlichen doch mehr gelegen sein sollte als an Quoten, geht damit flöten. Außer der Geldadel ist die neue Minderheit, deren Integration wir uns nun annehmen müssen.

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