Entstellung bis zur KenntlichkeitJulian Rosefeldt in der Berliner Galerie Arndt

Bild: Galerie Arndt (Ausschnitt aus "Making of The Ship of Fools"; alle Rechte vorbehalten)

Ein weiter Horizont, durchzogen von ein paar grauen, jedoch von der Abendsonne sanft angestrahlten Wolken über der schaumigen Brandung eines Steinstrandes… Und fast manövriert es die Gedanken zu den Malereien der Romantik von Caspar David Friedrich, wenn Julian Rosefeldt den einsamen Reiter in Rückansicht auf seinem weißen Schimmel in die Ferne des Ozeans blicken lässt. Derselbe, in einen langen Ledermantel gehüllte und mit einem Cowboyhut ausgestattete Protagonist taucht in einem anderen Werk wieder auf. Dieses Mal ohne Pferd, aber bewaffnet mit einer Flinte, blickt er von einem üppig bewachsenen Bergpfad auf die Brandung weit unter ihm. Die Szenerie erinnert an den Schauplatz eines Filmes und tatsächlich handelt es sich bei den Arbeiten der Serie American Night (2009) um eine nachgestellte Motivik, die sich der Bildsprache eines Westernfilms bedient. Wie in vielen Arbeiten Rosefeldts wird auch hier bewusst nicht auf eine gewisse Priese an Kitsch verzichtet.

Die Installationen des in Berlin lebenden Video- und Filmkünstlers finden mittlerweile ein weltweites Publikum und seine Arbeiten sind international in namhaften Sammlungen, wie z.B. dem MoMA in New York oder dem Kunstmuseum in Bonn vertreten. Bekannt geworden ist Rosefeldt vor allem durch seine aufwendig realisierten 16- und 35-Millimeter-Filme, deren theatralische Inszenierung in eine ästhetische Welt der Banalitäten und Absurditäten des Alltags einladen.

„Gerade der Verzicht auf ‚political correctness‘ und das Spiel mit dem Vokabular des Kitsches, des Unangemessenen und der Übertreibung sichern dieser Arbeit ihre Prägnanz. Im besten Sinne beweist sie, was es wirklich heißt, die Welt bis zur Kenntlichkeit zu entstellen“, so Kurator Stephan Berg. Mit Stilmitteln des Films und getragen von einem satirischen Humor legen Rosefeldts Arbeiten die Inszenierung des Alltags dar. Sie sind Kulissen des Alltags oder der Alltag als Kulisse.

Die theatrale Inszenierung einer ironisch patriotisch anmutenden Kulisse offenbart sich auch bei The Ship of Fools (III) von 2007, wo dem Betrachter der fleischige Rücken eines glatzköpfigen Mannes ins Auge fällt, umrahmt von den Silhouetten kahler Bäume im Gegenlicht der letzten Abenddämmerung.  Auch hier blickt der Protagonist, dessen freier Oberkörper offensichtlich eine willkommene Einladung für die Mücken aus dem Sumpfgewässer zu seinen Füßen darbietet, sinnierend in die Ferne. Auf dem bulligen Rücken prangt die Tätowierung eines Reichsadlers und ein Wehrkreuz; die Hosenträger hängen zu Boden und die Oberbekleidung liegt ordentlich zusammengelegt auf einem Ast.

In Making Of (the Ship of Fools) lässt der Künstler bewusst hinter die Kulissen blicken. Wie der Titel schon sagt wird das Making Of einer Szene aus The Ship of Fools gezeigt. Nicht nur der über einer Baumgruppe aufgehängte leuchtende Mond, sondern auch die Silhouetten des Filmsets zu den Seiten, die von der extremen Totalen offengelegt werden, verraten die Künstlichkeit der Szene.

Die Arbeiten Rosefeldts strahlen eine exotische Feierlichkeit aus, die gleichzeitig durch die komplexe Verschachtlung mehrerer Realitätsebenen und die Offenlegung des Produktionsprozesses fast absurd und ironisch wirken. Die Arbeiten sind damit auch eine Hommage an das Medium Film sowie Reflexion über die Konstruktion fiktionaler Erzählungen. Das wird auch in Stunned Man (I) und The Perfectionist (II) deutlich, zwei Werken aus der Serie Triology of Failure von 2005, in denen der Betrachter in zwei völlig verwüstete Räume eines Hauses blickt. Doch verraten Lichteinfall und Blick an der provisorischen Rigipswand vorbei, dass es sich auch hier nicht um tatsächliche Zerstörung, sondern um die Kulisse einer Szenerie in kinematografischer Sprache handelt (die Flugzeugturbine im zertrümmerten Arbeitszimmer erinnert an Richard Kellys Donnie Darko).

Etwas aus der Reihe der Ausstellung in der Galerie Arndt fallen die neun Portraits der Serie American Nights, deren Format deutlich kleiner ist und die dieses Mal keine Kulissen zeigen, sondern ganz nah an die verlebten Gesichter der Figuren heranzoomen und als klassische Porträtfotografie daher kommen. Das romantisierte Motiv des Wilden Westens wird auch hier wieder aufgegriffen und so werden neun Cowboys vorgestellt, die von zartem Jüngling bis zum Falten-zerfurchten alten Mann reichen und eine interessante Palette von Wildwest-Kopfbedeckungen präsentieren. Wieder überzeugt der Künstler mit stimmungsvoller Beleuchtung, die die charismatischen Gesichter der Protagonisten gekonnt in Szene setzt.

Die Galerie Arndt zeigt noch bis zum 27. August Auszüge aus dem Werk von Julian Rosefeldt.

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