Da ist er nun also, der erste Teil des Projekts eines Blockbuster-Dreamteams: Regisseur Steven Spielberg und Produzent Peter Jackson liefern mit The Adventures of Tintin (Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn) den ersten von drei geplanten Teilen einer Verfilmung von Hergés Comicreihe. Deren erster Band erschien bereits 1929. „Klassische“ Zeichentrickverfilmungen gab es auch schon mehrere. Insofern ist insbesondere die Ästhetik interessant, mit der sich die neue, computergenerierte Umsetzung nun den Geschichten um den jungen (manche sagen: alterslosen) Journalisten nähert.
Zu Beginn verabschiedet sich The Adventures of Tintin sehr gemächlich vom alten Look. Im animierten Vorspann, der stilistisch eigentümlicherweise nicht auf Hergé sondern auf den Vorspann von Spielbergs Film Catch Me If You Can verweist (hier bei YouTube), tauchen ein paar der originalen Comic-Panels auf – sie dürfen allerdings nur etwas einfallslos durchs Bild fliegen. Wirklich originell ist aber ein visuelles Zitat zu Beginn der Filmhandlung: Bevor wir den „neuen“ Tim richtig kennenlernen dürfen, sehen wir ihn auf einem Markt bei einem Portraitzeichner sitzen. Das fertige Portrait – wir ahnen es – ist dann Tim, wie wir ihn aus der Feder von Hergé kennen.
Diese neue, komplett computergenerierte Vision, in die Spielberg und sein Team die Comics übersetzt haben, überzeugt insgesamt. Die Klarheit und Reduziertheit, mit der Hergé seinen unbewegten Bildern dennoch große Dynamik verleihen konnte, ist gekonnt in eine überspitzte 3D-Realität übersetzt. Der Film leugnet seine Künstlichkeit nicht, kann aber dank des Performance-Capture-Verfahrens, das die Aktionen von Schauspielern auf die animierten Figuren überträgt, sehr nah und organisch erzählen. Das Making Of gibt einen Einblick in diese Arbeitsweise. Wenn man gleichzeitig liest, wie Filmkritiker die Schauspieler wie bei fotografisch gedrehten Filmen aufführen, ohne den sonst bei Animationsfilmen üblichen Zusatz „Tim (Stimme: Jamie Bell)“, wird deutlich, dass die technische Entwicklung hier bestehende Kategorien verschwimmen lässt. Und der Film genießt das merklich: Der Comic-Humor wird in neue visuelle Spitzen überführt. Da wird im Zoom aus einer Londoner Pfütze ein Szenenwechsel aufs Meer, oder eine Erinnerungssequenz oszilliert zwischen Wellen und Dünen, zwischen Realität und Delirium.
Der Rahmen für die Geschichte ist die Suche nach dem Schatz der „Einhorn“, dessen Spur sich Tim durch eine in einem Modellschiff verborgene Schatzkarte eröffnet. Es werden Geschichten und Figuren aus mehreren Comicbänden verwoben. Die Kommissare Schulze und Schultze sind mit dabei und liefern sich ihren üblichen Schlagabtausch, darunter den großartig selbstreflexiven Satz „I am not your sidekick!“. Der cholerische Kapitän Haddock und sein Schiff spielen für die Schatzsuche in The Adventures of Tintin eine Hauptrolle. Leider fehlt sein zerstreutes akademisches Gegengewicht Professor Bienlein.
Insgesamt trägt diese Best-Of-Dramaturgie leider nicht bis zum Ende des Films. Zwischenzeitlich können genüsslich übertriebene Actionsequenzen das noch überspielen, am Ende sind die Twists der Handlung dann aber zu viel und ermüdend. Der Schatz wird wohl erst im Sequel gefunden. Spielberg hat Tintin auf visueller Ebene erfolgreich neu erfunden, sich bei der Handlung aber nicht allzu viel Mühe gegeben. Ideologische Klippen werden zwar umschifft, die eurozentrische und patriarchale Weltsicht, die der Vorlage vorgeworfen werden kann, aber keinesfalls modernisiert. Ein technisches Spektakel also, das es aber nicht schafft auch eine größere, politische Ebene zu bespielen.
Der Film läuft seit dem 27. Oktober 2011 in den deutschen Kinos
Trailer auf YouTube