Im letzten Jahr haben viele öffentliche Personen einfach aufgehört, sind zurückgetreten, haben abgedankt. Der Spiegel hat mindestens fünf Titelseiten zum Burn-out, der Leistungsgesellschaft und dem Aussteigen veröffentlicht. Das Verhältnis zur Arbeit, zum wann ist was zu viel und was ist zu wenig – wird an einem bunten Liederabend mit einer ordentlichen Portion Ironie derzeit im Deutschen Theater Berlin in Frage gestellt.
Eine Ausstellung im Dresdner Hygienemuseum beschäftigte sich im vergangen Jahr mit „Arbeit. Sinn und Sorge“. Das trifft den Nagel auf den Kopf und überdeutlich wird hier: Arbeit hat einen sehr hohen Stellenwert in der westlichen Gesellschaft, und das nicht nur wegen des Geldes. Arbeit ist Sinnträger im Alltag, ist Bestätigung für das Ego, ist Beschäftigungsmaßnahme für den Menschen. Und durch Arbeit wird geschaffen. „Es gibt zu viel, zu viel von allem“ schreit Margit Bendokat komplett überfordert auf der großen Bühne des Deutschen Theaters, sie will ihr „nüscht“ zurück: Das Kartenspielen am Kamin, das nichts zu essen haben aber Rotwein und Zigaretten und die Stille. Früher war alles einfacher.
12 letzte Lieder gibt es nun, bevor aufgehört wird und beginnen tut der Abend mit dem Schluss. Zuerst also ein letztes Lied, dann die Zugabe und dann reichts auch, dann ist Schluss jetzt! Dann geht die Fahrstuhlmusik an und der Zuschauer müsse doch verstehen, das sei nun einmal das Konzept dieses Stücks und man müsse Konzepte einfach durchziehen, damit sie funktionieren. Aber zum Glück geht es dann doch weiter – lauter! Mit Techno-Partys bei denen Mubarak und zu Guttenberg, Horst Köhler und Margot Käßmann ihr Aufhören feiern – das Leben nach dem Aufhören. Mit Unterhaltungen von gescheiterten Promis im Dschungelcamp, welche die mögliche Sinnlosigkeit des Menschen mit der Hilfe von Goethes Faust aufzeigen. Mit sehr witzigen und auch nachdenklichen Liedern. Alles wird von zwei Kameras begleitet, die live mitfilmen und auf Leinwände links und rechts der Bühne übertragen, so dass bestimmte Szenen eine andere Intensität und ein anderes Format bekommen. Das gesamte Spektakel wird immer wieder unterbrochen von wunderbar ausgewählten Geschichten, die von Margit Bendokat vorgelesen werden und die immer weitere Geschichten in sich bergen. So spielt nun mal das Leben, so ist der Lauf der Dingen, Eines kommt zum Anderen.
Ummantelt ist der Abend von einer Auseinandersetzung mit dem Theater selber. Mit dem Sinn und Zweck des Theaters; mit der Frage danach, ob es überhaupt einen Zweck geben muss oder ob es eigentlich reichen würde, auf der Bühne hübsch Trampolin zu springen? Denn das passiert im Friedrichstadt-Palast in der Show „YMA“, keine 500 Meter weiter; reine Unterhaltung. „Was machen die bei „YMA“ bloß, was wir nicht können?“ -„Trampolin springen“. „Wenn das so gut ankommt, warum springen wir auf unserer Bühne kein Trampolin?“ -„Weil wir das nicht können.“ Im Hintergrund haben sich Felix Goeser und Andreas Döhler schon etwas verunsichert auf kleinen Trampolinen versucht – nicht sonderlich erfolgreich.
Ja, wofür ist das Theater da? Ob nun Hüpfburg oder nicht, hier steht mehr dahinter. Es ist ein Abend, der einen anregt zum Hinterfragen des eigenen Handels, zum Durchbrechen von Mechanismen und Routinen. Und der dazu anregt, auf das zu blicken, was ist. Hier und Jetzt.
Aufhören! Schluss jetzt! Lauter!
12 letzte Lieder
von Stemann/Kürstner/Vogel/von Blomberg
Regie: Nicolas Stemann
Weitere Vorstellungen: 11. März, 01.,16., 21. April