Ein Tag mit AlienDie Comic-Zeichnerin Aisha Franz im Gespräch

Comiczeichnung Alien

Ausschnitt "Alien" (Aisha Franz, Reprodukt Verlag, alle Rechte vorbehalten)

Aisha Franz, Jahrgang 1984, zeichnet nach eigenen Angaben am liebsten einfach drauf los und betont in Interviews gerne, was sie nicht so gut kann (Tuschen, Autos…). Trotzdem wurde ihre Abschlussarbeit an der Kunsthochschule Kassel gleich von einem der namhaftesten deutschsprachigen Comic-Verlage herausgebracht. In „Alien“ geht es um drei Frauen, einen vielleicht vorhandenen Außerirdischen und das Fremde im Allgemeinen. Eine konzentrierte, melancholische Bildergeschichte mit viel Identifikationspotenzial – nicht nur für Mädchen. Wir haben in Schönschrift notiert, was Franz uns am Berliner Landwehrkanal erzählt hat.

Findest du „Lesen“ ist der richtige Ausdruck für die Comic-Rezeption?

Das ist schwierig, eigentlich müsste man ein neues Wort erfinden. Ein Comic ist ja eine Bildergeschichte, also eine Geschichte in einer Bildabfolge erzählt. Es kann mit Text sein, muss aber nicht. Das ist von Comic zu Comic unterschiedlich. Manche sind eher textlastig und haben dazu begleitend Bilder. Es gibt so unterschiedliche Erzählformen. Bei meinen Comics ist „angucken“ vielleicht das richtige Wort.

Und warum ist der Comic deine Form zu arbeiten?

Weil ich gerne zeichne und gerne Geschichten erzähle und das ist dann so zusammen gekommen. Früher wollte ich eigentlich Trickfilme machen und dann habe ich gemerkt, dass Comics für mich die praktischere Form sind, weil man schneller voran kommt und viel mehr erzählen kann als in einem kurzen Trickfilm, weil das ja viel aufwändiger ist. Comic ist für mich: Ich setze mich an den Zeichentisch und zeichne drauf los, ohne groß vorher zu planen und kann Geschichten erzählen. Man ist sein eigener Regisseur und Drehbuchautor. Du sitzt da und denkst dir das ganze Universum deines Comics aus. Das finde ich toll.

Hast du immer schon eine Geschichte im Kopf oder eher Bilder? Gibt es da eine Reihenfolge?

Es passiert oft alles gleichzeitig. Ich habe ein Bild oder zeichne eine Figur und denke, da kann ich noch mehr erzählen. Also, meistens geht das von selbst. Dann fange ich an und die Geschichte entwickelt sich einfach. Ich bin nicht so der große Planer. Ich tu mich auch schwer, wenn ich Themen habe. Dann muss ich mich davon erstmal frei machen und einfach anfangen zu zeichnen, ohne dass ich mir zuerst viel ausdenke oder schreibe.

Bei meinem Buch „Alien“ war das genau so. Ich hatte zuerst ein Bild und habe das immer weiter ausgearbeitet und irgendwie ist die Geschichte dann so nach und nach entstanden. Die ist immer weiter gewachsen und am Ende musste ich dann gucken, dass alles irgendwie zusammen passt. Das ist quasi wie im Film. Am Ende sammelt man alles Material und dann baut man zusammen und schneidet.

Der Comic-Blog der FAZ hat dich als „eine der großen deutschen Comic-Hoffnungen“ beschrieben. Wie sieht denn der Arbeits-Alltag von so einer Hoffnung aus?

Erstmal denke ich, dass das gesagt wurde, weil „Alien“ gerade zu so einer guten Zeit erschienen ist, wo so viel Neues kam. Es sind viele neue deutsche Zeichner gerade auf dem Vormarsch und es kommt viel mehr Interesse von außen. Mehr Leute lesen Comics und sie werden häufiger in den Medien besprochen. Das hat sich in den letzten Jahren so peu à peu entwickelt, aber spätestens seit der Begriff „Graphic Novel“ richtig vermarktet wurde, ist es echt viel mehr geworden.

Mit Comics verdient man ja jetzt nicht so das Riesengeld, aber wie sieht mein Arbeitsalltag aus? Ich denke mir viele Geschichten aus. Nach dem Buch habe ich jetzt kleinere Projekte gemacht. Ich publiziere auch meine eigenen Comics, Mini-Comics, also kürzere Geschichten in Heft-Form. Dann bin ich viel unterwegs, zum Beispiel auf Comic-Festivals. Ich habe mit ein paar Leuten zusammen letztes Jahr das Kollektiv „The Treasure Fleet“ gegründet. Wir verlegen alle selbst Comics in kleinen Auflagen und fahren dann auch zusammen auf Festivals und haben jetzt auch hoffentlich bald einen Webshop. Also, ich mache 50er-Auflagen, das ist nicht viel. Vieles verkauft man dann übers Internet und man hat so ein Netzwerk, in dem auch viel getauscht wird. Man bewegt sich da in einem kleinen Radius, aber das ist auch etwas Schönes.

Der Verkauf läuft also schon übers Netz. Bücher werden ja inzwischen auch langsam vom bedruckten Papier gelöst. Wie sehr ist Comic für dich an die Publikationsform Buch gebunden?

Eigentlich ist es für mich schon an die Buchform gebunden. Das hält man in der Hand und es hat gleich eine ganz andere Wertigkeit. Man arbeitet ja auch im Comic sehr stark mit der Form. Man überlegt sich das Layout einer Seite. Wie wirkt eine ganzseitige Zeichnung? Was ist das letzte Panel und was macht Lust umzublättern? Man sucht sich ein schönes Papier aus. Das sind ja schließlich Zeichnungen! Ich denke, das lässt sich nicht ablösen. Es gibt ja auch weiterhin Bücher, auch wenn es viele E-Books gibt. Aber in Buchform – dann ist es eben doch wieder dieses Lesen, was wichtig und was mit drin ist. Sich hinzusetzen und zu schmökern.

Kannst du ein bisschen was über dein Buch „Alien“ erzählen? Worum geht es? 

Cover "Alien" (Franz, Reprodukt, alle Rechte vorbehalten)

Es geht, wie der Titel schon sagt, um einen „Alien“ – auch. Aber nicht vordergründig. Eigentlich ist es die Geschichte von einer Mutter und ihren beiden Töchtern. Die jüngere Tochter, im Buch „Mädchen“ genannt, findet diesen Alien und versteckt ihn bei sich. Sie ist kurz vor der Pubertät. Es ist so eine Art Coming-of-Age-Geschichte. Es geht darum, wie sie diese Veränderung durchlebt und wie sie damit umgeht. Der Alien steht für dieses Fremde. Man weiß eigentlich nicht genau, ob er wirklich da ist oder ob er nur in ihrer Phantasie existiert. Also, sie findet diesen Alien und freundet sich mit ihm an, aber dann fängt schon so eine Spannung an, sich aufzubauen, weil sie eben auch nicht mehr dieses unschuldige kleine Mädchen ist und der Alien im Laufe des Buches auch einen immer männlicheren Charakter erhält. Aber eigentlich ist er so ein ganz passives Wesen, das nur den Zustand des „Mädchens“ widerspiegelt.

Dann ist da noch ihre ältere Schwester. Die ist gerade mit der Schule fertig und ist auch in so einem Zwischenstadium, in einer Selbstfindungsphase, wie auch immer. Zwischen Kindheit, Zukunft, erwachsen werden wollen befindet sie sich in einer Art Leerlauf.

Und dann gibt es noch die Mutter der beiden. Bei allen dreien gibt es so eine surreale Ebene. Den Alien natürlich, bei der großen Schwester ist es die zuckersüße Kindheitswelt, in die sie sich ab und zu flüchtet und die Mutter begegnet ihrem Alter Ego, das sie an ihre zerplatzten Träume erinnert. An verpasste Chancen in ihrem Leben. Und daran verzweifelt die Mutter. Das ganze Buch spielt nur an einem Tag, der Stück für Stück erzählt wird. Es hat viel Raum für eigene Interpretationen.

Dein Verlag Reprodukt stellt gerade gemeinsam mit dem Schweizer Verlag Edition Moderne in der Galerie Neurotitan in Berlin Mitte Ausschnitte aus „50 Jahren Super Comics“ aus. Gibt es in der Ausstellung Lieblingsstücke oder Vorbilder von dir?

Ehrlich gesagt war mir vieles relativ neu und ich habe auch vieles entdeckt. Vorbilder habe ich nicht so recht, weil ich mich noch gar nicht so lange mit Comics beschäftige. Aber ich habe in der Ausstellung eine sogenannte Fan Art gemacht. Das nennt man so, wenn man von einem Zeichner, den man sehr gerne mag, den Stil übernimmt und den mit dem eigenen vermischt, um so eine Hommage an denjenigen zu schaffen. Und ich habe eben zwei Seiten zu Daniel Clowes gemacht, die in der Ausstellung zu sehen sind. Von dem habe ich mich schon sehr inspirieren lassen.

Die Ausstellung ist so eine Art Entdeckungstour, weil sie sehr gemischt ist. Viele deutsche Zeichner, aber es fing ja alles mit amerikanischen Zeichnern aus der Underground-Szene an, die der Verlag Reprodukt erstmals nach Deutschland gebracht hat.

Welche Projekte sind dir gerade besonders wichtig?

Außer dass ich jetzt verschiedene Sachen, auch international, für Anthologien gemacht habe, bringe ich in meinem Selbstverlag eine Comic-Serie heraus. Das ist eine Geschichte in vier oder fünf Folgen, das weiß ich noch nicht genau. Sie heißt „Brigitte“ und ich arbeite gerade an der dritten Folge. Nächsten Sommer wird das dann vermutlich gesammelt als Buch erscheinen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Ausstellung „50 Jahre Super Comics“ ist noch bis zum 1. Oktober 2011 in der Galerie Neurotitan zu sehen. 

Das ungeschnittene Interview steht als Download zur Verfügung. Formate: MP3 und OGG Vorbis.

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