Mit 18 ist man längst großDie Regensburger Kurzfilmwoche

Kinoschild des Festivals

Es ist ein Spagat, den die Regensburger Kurzfilmwoche zu machen scheint: Sie hat sich mit dem internationalen Wettbewerb einen beachtlichen Ruf erarbeitet, der Tausende von Einsendungen und spannende Gäste bringt. Gleichzeitig bezieht sie mit dem Bayern- und dem Regionalfenster lokalen Nachwuchs mit ein, der zugegebenermaßen auf einem anderen Niveau agiert, aber nicht minder wichtig genommen wird. Als wären diverse Wettbewerbsprogramme nicht genug, gibt es darüber hinaus jährliche Länder-, Werkschau- und Themenschwerpunkte. Dieses breite Programm wird von einem relativ kleinen Team gestemmt, das aber – und das macht den Charme des Festivals aus – von zahlreichen Helfern und allen wichtigen kulturellen Institutionen der Stadt unterstützt wird. Das Festival hat sich eine wichtige Rolle für die Stadt erarbeitet. 2012 ist es nun 18 Jahre alt – volljährig. Da findet auf der Eröffnung auch ein CSU-Oberbürgermeister ohne Probleme ein paar muntere Worte zum diesjährigen Sonderthema Pornografie (hier: „Porneaux“).

Globale Bewegungen

Der Internationale Wettbewerb kommt ernsthaft und wichtig daher, mit Programmen, die mit „Heimatlos“, „Außenseiter“ oder „Mensch und Tier“ überschrieben sind. Die Produktionen, die es auf das Festival geschafft haben, sind oft technisch aufwändig und verhandeln Soziales, international Relevantes. So erzählt El Somriure Amagat (The Hidden Smile) eine Geschichte über Solidarität und Konkurrenz zwischen äthiopischen Straßenkindern. Ein neu hinzugekommener Außenseiter sucht nach einer Schlafstelle, Hilfe und Anerkennung. Der Film beobachtet sehr genau das Oszillieren zwischen kindlichem Spiel und knallhartem Überlebenssinn. Was als Machtspiel und Erpressung beginnt, kann sich durchaus in gemeinsamen Scherzen wieder auflösen. Dass man sich unser westliches Modell einer komfortablen Kindheit erst einmal leisten können muss, mag eine Binsenweisheit sein, der Film zeigt sie dennoch mit einer deutlichen Geschichte. Leider kann es sich das spanische Filmteam nicht verkneifen, die Protagonisten am Ende stumm, ernst und perfekt ausgeleuchtet noch mal für ein Portrait in die Kamera schauen zu lassen – eine objektifizierende Geste, die der Film zuvor sorgfältig vermieden hat.

Grenzen und Migration sind Teil vieler Geschichten. „International“ bezeichnet in Regensburg nicht nur den Kreis der teilnehmenden Filmemacher, sondern auch ein Thema. Gleich zwei Filme beschäftigen sich mit mit dem Status des Kosovo, dessen Bürger noch immer nicht ohne Visum innerhalb der EU reisen dürfen. Erden, der Protagonist des Dokumentarfilms Saluti Da Sar Planina, wurde bereits als illegaler Einwanderer wieder aus Italien abgeschoben und schickt nun verzweifelt sarkastische Grüße an die verantwortlichen Polizeibeamten. In The Wedding Tape hingegen arbeitet Fis noch fieberhaft am letzten Beweisstück, das ihm die Aufenthaltserlaubnis in Deutschland bringen soll: dem gefälschten Video seiner Zweckhochzeit mit einer Deutschen.

Lokale Kuriositäten?

Wie als Gegenstück erscheint im Deutschen Wettbewerb dazu die Filmreihe Nr. 1 „Typisch Deutsch“. Neben eher schlichten Kuriositätenschauen wie 13. Deutsche Hirschrufermeisterschaft oder SM Heinzbert, kommt auch politische Kost auf den Tisch. Nazi Goreng packt das Neonazi-Thema leicht und humorvoll an, die überzeugende Mockumentary Vaterlandsliebe bleibt da lieber eiskalt ambivalent und zwingt zum genauen Hinschauen. Die höfliche Kunstfigur Jens ist zwar latent homophob und rassistisch, aber ein Nazi ist er nicht. Die schwarze Haut seiner kenianischen Freundin ist doch Beweis genug. Mit ihr teilt er auch sein tief traditionelles Familienbild, in dem man „nicht immer alles hinterfragen muss“, was der Mann von der Frau will. Genau so wenig wie man diese Figur klar und deutlich politisch einsortieren kann, zeigen sich eben auch Sexismus, Rassismus und Homophobie immer deutlich, vielmehr tauchen sie im Alltag oft in kleinen, mehrdeutigen Gesten auf. Vaterlandsliebe lässt sich als Ansporn lesen, genau hinzuschauen und sich nicht auf ein klares Neonazi!-Feindbild zu verlassen.

Einen Überblick über das komplette Angebot der Regensburger Kurzfilmwoche zu bekommen, wäre dank einer klugen und systematischen Programmierung zwar möglich, aber nur mit einer großen Portion Disziplin und Koffein. Aber bereits stichprobenhaft lässt sich sagen: Alle Sektionen sind vielfältig kuratiert und zeigen wichtige aber auch unterhaltsame Highlights. Gelegentliche Enttäuschungen und stark variierende Projektionsqualität sind zu verschmerzen – und ohnehin normal für ein Kurzfilmfestival.

18. Regensburger Kurzfilmwoche. 14.-21. März 2012. Ostentorkino, Filmgalerie, Kunstverein Graz, Kinokneipe in Regensburg.

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