Und dann der Regen (También la lluvia) erzählt die Geschichte einer spanischen Filmcrew, die in Bolivien einen kritischen Film über die Rolle der Kirche bei der Kolonialisierung Südamerikas durch Kolumbus und die spanische Krone drehen will. Bei den Dreharbeiten wirken auch zahlreiche indigene Schauspieler und Komparsen mit. Als ein Aufstand die Stadt ins Chaos stürzt, gerät die Filmproduktion in Gefahr – und die Rolle der europäischen Filmemacher in ein neues Licht.
Der Hintergrund zu Und dann der Regen (Regisseurin: Icíar Bollaín) ist der Wasserkrieg von Cochabamba aus dem Jahr 2000. Es gab mehrere Todesopfer, als damals die Proteste der Bevölkerung gegen die Privatisierung der Wasserversorgung in der bolivianischen Stadt und einen heftigen Preisanstieg eskalierten. Schließlich wurde die Privatisierung gestoppt. Im Film ist der Laiendarsteller Daniel (gespielt von Juan Carlos Aduviri), der im Film-im-Film den Indio-Häuptling Hatuey spielt, gleichzeitig einer der Anführer des Wasserprotestes. Für Regisseur Sebastián (Gael García Bernal) und Produzent Costa (Luis Tosar) ist zunächst die einzige Sorge, dass ihr Darsteller nicht mehr unversehrt für die Aufnahmen zur Verfügung stehen könnte. Sie kämpfen mit Überredungskunst und Bestechungsgeld dafür, dass er sich zurückhält und die Proteste bremst. Für den Aktivisten ist der Kampf um das Wasser aber nicht verhandelbar, am Ende muss die Crew aus der vom Militär abgeriegelten Stadt fliehen, der Film wird nicht fertig.
Die Handlung von Und dann der Regen spielt sich auf drei visuellen Ebenen ab: Innnerhalb des Films, der uns die Geschichte erzählt, gibt es den Film-im-Film, dessen Entstehung Teil der Geschichte ist. Parallel gibt es noch eine wackelige Handkamera, mit der eine Mitarbeiterin der Filmcrew ein Making-Of dreht. Während die Ästhetik des Making-Ofs überdeutlich grau und wackelig markiert ist, sind die beiden anderen Ebenen stilistisch nicht zu trennen. Dies führt zu gekonnten Überschneidungen der Situationen und historischen Kontexte. Beim Dreh der zentralen Kreuzigungsszene des Film-im-Film sehen wir als Zuschauer die fertigen Bilder, mit den Indio-Komparsen in historischer Kleidung, die sich gegen die spanischen Eroberer zur Wehr setzen. Nach dem „Cut!“ des Regisseurs wechselt die Situation ins Jetzt des Films, allerdings ohne dass dies stilistisch sichtbar gemacht würde. Wenn dann die Polizei anrückt, um den Privatisierungsgegner Daniel (immer noch im Lendenschurz) festzunehmen, kann man die Parallelen nicht mehr deutlicher machen. Privatisierung gleich Neo-Kolonialismus.
So weit, so eingängig. Wirklich stark ist Und dann der Regen aber dann, wenn er die Rolle der Filmemacher hinterfragt. Bilder können ein gewaltiger politischer Multiplikator sein. Das weiß auch Regisseur Sebastián, wenn er die Prioritäten klar macht: „Diesen Aufstand wird man vergessen – unseren Film nicht.“ Die Möglichkeit, die „echten“ Wasserproteste mit der Making-Of-Kamera zu dokumentieren nimmt das Filmteam allerdings nicht wahr. Und als Produzent Costa dem Aktivisten Daniel 10.000 US$ bietet, um die Proteste nicht weiter anzustacheln, bis die Dreharbeiten beendet sind, wird deutlich, dass die Realpolitik hinter der Kunst zurückstecken soll. Statt zu multiplizieren drängt die europäische Filmproduktion das Politische zurück.
Auf der wirtschaftlichen Ebene sind die Filmemacher dabei kaum besser als die privaten Globalisierer. Costa prahlt am Telefon vor den Geldgebern des Filmprojektes damit, dass er die Indio-Komparsen mit zwei Dollar am Tag abspeisen kann. Daniel, der das Gespräch mitgehört hat, stellt ihn daraufhin zur Rede – er hat als Billiglöhner in den USA durchaus Englisch gelernt. Die Globalisierung schlägt hintenrum zu.
Am Ende ist es dann aber doch der skrupellose Produzent, der anpackt und Menschenleben rettet, während der Regisseur ratlos zurückbleibt. Es ist also nicht unbedingt die Kunst, die Wirkung zeigt, sondern der Buchhalter, der seine Menschlichkeit wiederentdeckt. Die Kirche, die zur Zeit der spanischen Eroberer so eine zentrale (und fatale) Rolle spielte, bleibt in Und dann der Regen zahnlos. Obwohl Boliviens Bevölkerung zum Großteil christlich ist, spielt die Kirche in der Darstellung des Wasserkonfliktes keines Rolle. Schon zu Beginn des Films, als ein Helikopter ein riesiges Requisiten-Holzkreuz heranschweben lässt, wird klar, dass christliche Symbole hier zur freien Verfügung stehen. Und erst ganz am Ende, als der Kampf gegen die Privatisierung längst beendet und gewonnen ist, läuft ein Priester durch den Schutt und verkündet in leeren Straßen den Sieg. Während im historischen Film-im-Film die Kleriker noch im Mittelpunkt stehen, ist Irrelevanz das einzige, was Drehbuchautor Paul Laverty der Kirche im „Heute“ noch zugestehen mag.
Und dann der Regen ist komplex, kritisch, reflektiert und spannend.
Der Film läuft seit dem 29.12.2011 in den deutschen Kinos.
Filmwebsite
Trailer auf YouTube
Wer die Film-im-Film-Verschachtelung voll auskosten möchte, sollte sich beim Wikipedia-Eintrag zum Film anschauen, wie in den Filmdaten die Schauspieler, ihre Filmrollen und ihre Film-im-Film-Rollen, die wiederum teils historische Personen mit eigenen Einträgen sind, aufgelistet sind. Und wenn auf der Filmwebsite unter die Szenenbilder, die teils die „Dreharbeiten“ am Film-im-Film zeigen, noch Making-of-Fotos mit der Regisseurin gemischt werden, ist der Spaß komplett.