Weil er sich in einer Schlägerei viel zu rabiat verhalten hat, wird Ignat, Hauptmann bei der russischen Armee, auf eine Strafmission geschickt: Er soll zwei Deserteure zurückholen, die Geld aus der Kaserne gestohlen haben und damit auf dem Weg Richtung Moskau sind. Ignat wird als geheimnisvoller Charakter etabliert: Er ruft nach einer unsichtbaren „Tanya“, hat Migräne und fällt manchmal einfach um. Der Film The Convoy (dt. Die Überführung) im Panorama der Berlinale verspricht ein raues Roadmovie zu werden.
Der Katalogtext feiert ihn als „Bitter, dunkel, kalt, blutig, dreckig, erbarmungslos und ohne Hoffnung auf Erlösung“ mit Armee und Polizei als „Projektion einer Gesellschaft, deren Basis vom Verhältnis zwischen Macht und Unterwerfung, Dienstalter und Disziplin, physischer Gewalt und hierarchischem Statusdenken bestimmt wird.“
Die Bilderwelt des Films ist in der Tat düster und kalt und die Geschichte kreist um sich selbst. Einer der Deserteure begeht alsbald Suizid, der andere bildet gemeinsam mit Ignat und dessen Feldwebel von nun an eine lose Reisegesellschaft mit verschiedenen diffusen Interessen. Dass die drei nach einer kurzen Zeit in Moskau wieder in ihrer Kaserne landen ist von Anfang an zu ahnen. Es geht auch nicht um ein klares Ziel. Dass am Ende rein formal die Mission erfüllt ist, bleibt Nebensache.
Vielmehr kreiert Regisseur Alexey Mizgirev in einem Netz aus verschiedenen Machtverhältnissen, Wünschen und Werten einige wenige menschliche Momente. In fast allen Situationen sind die Verhältnisse klar: entweder ist durch die Institutionen die Hierarchie geklärt („Die Polizei wird dich als Armeeangehörigen in Ruhe lassen“) – oder sie wird durch das Recht des Stärkeren mit Gewalt übergangen. Dem traumatisierten, verschlossenen Ignat stellt der Film Artyom, den zweiten Fahnenflüchtigen, zur Seite. Der junge, ursprünglich freiwillige Soldat versucht konsequent jede komplizierte Situation mit einem Lächeln und einem mittelmäßigen Witz zu retten. Sogar als er blutend am Boden liegt, klammert er sich noch an seinen Humor. Diese Lebenseinstellung repräsentiert im Film – mäßig originell – eine Clownsnase.
In einer der wenigen emotionalen Szenen des Films bekommt Ignat von Artyom ebenfalls eine Metapher für seinen Schmerz: einen Stein, den er in einer therapeutischen Geste wegwerfen soll. Er wird ihn bis zum Ende des Film bei sich tragen.
Zwischen den beiden ziellosen Charakteren spannt sich ein Zeitfenster der Zwischenmenschlichkeit auf. Am Ende aber sind weder die Clownsnase noch der Stein eine Antwort. Es dominiert der militärische Apparat.
Für eine direkte Kritik an Lebens- und Machtverhältnissen ist The Convoy zu klug. Wenn überhaupt, werden abstrakte Konzepte von Strafe und Kontrolle untersucht und ihre Willkür herausgestellt. Insgesamt verliert sich der Film aber in seinen überzeichneten Metaphern und den komplexen psychologischen Konzepten seiner Figuren.