Schwarz ist das neue Schwarz

Brigitte-Cover von 1954 (Quelle und Bildrechte: Gruner+Jahr)

Die Brigitte hat Minderheiten für sich entdeckt. Zugegeben nicht erst gestern, sondern schon vor einem Jahr: Frauen, die keine Models sind, dürfen seitdem nicht nur für die Brigitte-Fotografen posieren, sie dürfen sogar auf’s Titelblatt. Die Initiative „ohne Models“ feiert in der Januar-Ausgabe 2011 Jubiläum. Ein Jahr ohne Models, weil „Frauen, die mitten im Leben stehen, genau die Richtigen sind, um Mode- und Beauty-Trends zu zeigen“ (die Redaktion). Soweit so gut.

Auf dem ausklappbaren Doppel-Cover sind sie alle noch einmal zu sehen. Die Brigitte-Frauen von 2010, die Architektinnen, Ballett-Tänzerinnen, die EDV-Technikerinnen und Lehrerinnen. Bis auf diejenigen, die grade in Los Angeles und Miami oder mit ihrer Band auf Tour sind, haben’s alle geschafft. Ein bisschen Schwund ist immer, wenn man „mitten aus dem Leben“ kommt, mit „Familie, Privatleben, Job“… Ganz normale Frauen eben. Und zum großen Jubiläum setzt Brigitte sogar noch einen drauf: Die Frauen, die keine Models sind und trotzdem die neue Kollektion für 2011 zeigen dürfen, sind Migrantinnen – zwei sogar mit dunkler Hautfarbe, eine über 60! So. Erstmal sacken lassen.

Ganze 50 Seiten gönnt sich die Moderedaktion für ihr „Plädoyer für mehr Vielfalt“. Gülüfer, Merve, Alissa und 17 andere zeigen die Sorbet-Farben des Frühlings, glitzernde Party-Outfits und das Comeback des Blazers. Einen Unterschied zu herkömmlichen Modestrecken (mit Models und ohne expliziten Migrationshintergrund) kann man, wie schon in den Heften von 2010, beim besten Willen nicht feststellen. Kaum eine der Frauen trägt mehr als Größe 38, der Altersdurchschnitt dürfte zwischen 20 und 30 liegen und es handelt sich natürlich bei allen abgelichteten Frauen um absolute Schönheiten – perfekt in Szene gesetzt. So viel zum Thema Vielfalt.

Auch Kopftücher, Burkas oder Bindhis wird man vergeblich suchen. Der Exotik-Faktor kommt aber dennoch nicht zu kurz. Passend zur Herkunft (der eigenen, der Eltern oder Großeltern – wer wird denn so kleinlich sein?) posiert Bimini aus Marakesch in Afro-Orient-Roben mit Kopfputz und schweren Ketten, wirbelt Graziella aus Afghanistan wie ein Derwisch in Wüstentönen und posiert Vo Thi aus Japan gar im Geisha-Look mit Pappschirm und Essstäbchen. Viel stärker als auf ihren Migrantenstatus zielt Brigitte hier auf die diffusen „Wurzeln“ der jetzt in Deutschland lebenden Frauen. Dass Mode sich jedoch aus verschiedenen Kulturen bedient, ist nichts Neues. Dass die Frauen, an denen sie gezeigt wird, jetzt nurmehr 1:1 nach den Wurzeln dieser kulturellen Anleihen ausgewählt wurden, ist eher ein Rückschritt in Richtung kultureller Klischees als eine progressive Präsentationsform. Ein irgendwie gearteter Beitrag zum Thema Integration ist es jedenfalls nicht.

Wer nun also ob soviel visueller Folklore das Heft beiseite legen und wieder das Missy Magazine zur Hand nehmen will, dem sei allerdings dringend noch der redaktionelle Beitrag zur „Ausländerdebatte der letzten Monate“ ans Herz gelegt, bei dem einem auch das letzte wohlwollende Schmunzeln vergeht. Wenn Redakteurin Claudia Kirsch über die eben noch modelnden migrantischen Nicht-Models schreibt, dann bleibt einem fast die Spucke weg, wie unverblümt hier Klischees und Exotismus in der Geste ihrer Bekämpfung reproduziert werden. Ihr entgeht nichts: Die deutsch-türkischen Abiturientinnen, die nicht für ihr gutes Deutsch gelobt werden wollen. Die Afrikanerin, der in Deutschland der Familiensinn fehlt, die aber die deutschen „Klassiker“ mag: Ordnung, Zuverlässigkeit, Klarheit. Sie alle, die sie Thilo Sarrazin ebenso ablehnen, wie die Machojungs mit ihrem schlechten Deutsch und deren Eltern, die ihnen nicht bei den Hausaufgaben helfen. „Sie leben gern in unserer Mitte,“ ist da zu lesen. Wo allerdings diese ominöse Mitte ist? (Irgendwo bei „mitten im Leben“ vielleicht?) Wer „uns“ sagen darf und was „Sie“, die eben noch für Vielfalt standen, eigentlich in diesem Moment verbindet? Kein Wort darüber. Ganz im Gegenteil, die Frage „Wir – wer ist das?“ wird vielmehr an die Sarrazins dieser Gesellschaft gerichtet, die die Brigitte-Frauen bei der Integration stören und sie wegen ihrer dunklen Haare und Augen blöd angucken.

Man schüttelt den Kopf, blättert zurück und guckt die Schönheiten mit den dunklen Augen noch einmal an. Wenn niemand erwähnt hätte, dass sie nicht deutsch sind, sondern „mitten aus dem Leben“, dann hätte man sie kaum bemerkt und sich auf die Kleider und Schuhe konzentriert, die sie zeigen. Aber sie sind ja schließlich keine Models, sondern echte Frauen. Man kann nur darüber mutmaßen, ob es für diese echten Migrantinnen nicht besser gewesen wäre, keine weitere Wir-Ihr-Einteilung zu eröffnen, bei der diejenige Wir wird, die im Integrations-Wettbewerb die meisten Punkte sammelt. Die Debatte um ein Zusammenleben in der postmigrantischen Gesellschaft tritt jedenfalls mit Sicherheit weiterhin auf der Stelle, wenn es bei einem nur bedingt flexiblen Wir/Ihr bleibt, einem Integration/Offenheit oder auch Bemühung/Interesse.

Auf dem Cover sind die Brigitte-Frauen mit Migrationshintergrund dann erst im nächsten Jahr zu sehen. Ein Schritt nach dem anderen. Bleibt abzuwarten, ob Deutschland sich in diesem Jahr von Sarrazin & Co. erholt haben wird. Den Brigitte-Leserinnen – und denen, die es jetzt ohne Models und mit Migrantinnen werden wollen – bleibt ein Jahr um sie zu verdauen, diese Integrationsleistung. Nicht anderes haben wir von dir erwartet, du hartnäckige Akteurin im Bereich der Frauenpolitik. Danke, Brigitte!

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Eine Antwort auf Schwarz ist das neue Schwarz

  1. Franziska sagt:

    Herzlichen Glückwunsch zum Start! Ich freu mich auf das kommende Jahr und viele Kulturnotizen…..
    Beso und cava für alle zum Anstoßen!