Optimismus 2010Bei 48 Stunden Neukölln ging es ans Eingemachte

Vier Gläser auf Regalen.

LUXUS war das Thema des Kiezfestivals 48 Stunden Neukölln. Und im „Klötze und Schinken“ einer Institution, die als Galerie/Café ohnehin schon Kunst und Essen vermischt, eröffnete die Ausstellung „Liquid Luxus“.

Prominent eine komplette Wand einnehmend begrüßt den Besucher eine Reihe bunter Einmachgläser. Der Inhalt erscheint unnatürlich, von außen sind die Gläser aber mit viel Retro-Liebe gestaltet und sorgfältig beschriftet: Altruismus, Enthusiasmus, Utopismus, Fatalismus, Hedonismus, Optimismus, Orgasmus, Realismus, Idealismus, Pazifismus, Dadaismus und Pragmatismus sind zu finden. Zwölf Gläser, alle mit dem Jahr „2010″ versehen. Für jeden Monat eines?

Marmeladenglas, beschriftet mit Pazifismus 2010futuro:marx zeigen stolz diese abstrakten kulturellen Konzepte vor, künstlerische oder ideologische Haltungen. Nur der Orgasmus fällt vielleicht aus dem Rahmen, das könnte man diskutieren. Jedenfalls werden sie nicht wie Marmelade im Keller versteckt aufbewahrt, sondern im Galerielicht präsentiert, jedes auf seinem eigenen Regal. Vielleicht sehen wir hier keinen Vorrat für schlechte Zeiten, sondern Proben, genommen und konserviert im Jahr 2010, die Quintessenz aus 12 Monaten. Sie werden, geschenktauglich verpackt, hergezeigt: „Schau, so war unser 2010.“

War das Einkochen bis in die 1960-er hinein noch eine wichtige Kulturtechnik zum haltbar- und verfügbar machen von Lebensmitteln, so gilt selbst gekochte Marmelade heute als Liebhaberei und als Geschenk: „Ich habe Zeit, mich selbst in die Küche zu stellen und verschenke nun das Ergebnis meiner Arbeit“ – Luxus eben. Einmachgläser sind romantische Lifestyle-Produkte bei Butlers oder Manufactum geworden.

Zählt bei „Optimismus 2010″ (warum war wohl ausgerechnet der Optimismus hier titelgebend?) auch mehr die Präsentation als die Haltung? Ist weniger die Ideologie wichtig als die Verpackung, in der sie aufgereiht wird? Dürfen wir jeden Monat ein neues hübsches Glas öffnen und konsumieren, was auch immer drin steckt? Von einem Geschenk kann allerdings keine Rede sein, 3.600 € sollen die 12 Gläser kosten. Vielleicht sind Idealismus, Altruismus etc. aber auch einfach so rarer Luxus geworden, dass sie nur bei Neuköllner Künstlern teuer zu erwerben sind.

Ausstellung noch bis zum 19.08.2011 im Klötze und Schinken, Bürknerstr.12, 12047 Berlin (U8 Schönleinstr.)

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