Die Macher des Freischwimmer Festivals haben in diesem Jahr nicht nur Produktionen aus dem Bereich Theater und Performance eingeladen, sondern auch Positionen aus der bildenden Kunst. Im Hof der sophiensæle, gegenüber dem Kassenhäuschen, erwartet Barbara Ungepflegt das potentielle Publikum mit ihrem „Notstand“, einer Mischung aus Installation und Performance. Und das Foyer wird von mehreren Künstlerinnen auf seine Qualität als irgendwie öffentlicher Raum befragt.
Im Theaterfoyer trifft sich für gewöhnlich eine eigentümliche Teilöffentlichkeit aus bürgerlichem Mainstream, Kunst, Intelligenz und vielleicht Avantgarde. Vor der Vorstellung wird hier getuschelt und im Anschluss gemeckert oder geschwärmt. Man beäugt sich. Hat sich schick gemacht. Auf der Bühne haben die Akteure das Wort. Das Foyer gehört dem Publikum. Es ist die Schwelle vom Alltag zur Kunst, zumindest für die, die zur Szene gehören. Alle anderen bleiben gleich ganz draußen, für sie beginnt die kulturelle Hürde schon viel früher.
Während des Freischwimmer Festivals halten gleich mehrere andere Räume Einzug ins Foyer der sophiensæle und treiben seinen Übergangscharakter auf die Spitze. An den Wänden hängt Street Art von sp38, die man aus dem Berliner Stadtbild kennt. „I don’t wanna be Ur friend on Facebook“ – eben noch auf einer Neuköllner Mülltonne, jetzt schon Ausstellungsobjekt. Davor warten die Besucher auf quietschgelben Parkbänken zwischen Sträuchern auf den Einlass. Mark Thomann a.k.a. pony pedro hat sein „Foyer für Freilufttrinker“ kurzerhand nach drinnen verlegt. Das pieksende Geäst, das im goldenen Licht ständig irritiert, tut ein übriges zur skurrilen Wirkung dieses Außen-Innen-Raums.
Noch tiefer gräbt Corinna Korth vom Institut für Hybridforschung. Neben ihrer Lecture-Performance „Furry Species“ hat sie rund um die Foyer-Bar einen Wolfsbau mit jeder Menge (Kunst-)Pelz errichtet. Auf der anderen Seite, gleich beim Eingang zum großen Saal, steht eine Telefonzelle, von der aus man – aus dem Innenraum im Innenraum – raus in die Welt kommunizieren kann. Doch auch hier folgt die Umkehrung auf dem Fuße: via Loveline der Gruppe White Horse vermittelt der öffentliche Fernsprecher private Liebesbotschaften.
Erika Fischer-Lichte schreibt in „Ästhetik des Performativen“: Jeder Übergang, jeder Weg über eine Schwelle schafft einen Zustand der Instabilität, aus dem Unvorhergesehenes entstehen kann, der das Risiko des Scheiterns birgt, aber ebenso die Chance einer geglückten Transformation. Von Scheitern kann beim transformierten Freischwimmer-Foyer keine Rede sein. Hier findet eine wohltuende Belebung der Foyer-Routine statt. Das Raumgefühl wird ständig irritiert. Dadurch entsteht eine Ahnung davon, wie exklusiv die Gruppe ist, die sich hier gewöhnlich trifft. Zur Öffentlichkeit, ja zum öffentlichen Raum, der immer auch etwas von Teilhabe und Gestaltung hat, der zum Verweilen und Be-Leben anregt, ist es ein weiter Weg. Bleibt zu hoffen, dass das Unvorhergesehene weiterhin willkommen ist, wo das Freischwimmer-Foyer für Instabilität gesorgt hat.