„Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es. Gesellschaftliche Unterschiede dürfen nur im allgemeinen Nutzen begründet sein.“ So steht es im ersten Paragrafen der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die die Französische Nationalversammlung am 26. August 1789 verkündete. Auf Französisch heißt das freilich: „Les hommes naissent et demeurent libres et égaux en droits. Les distinctions sociales ne peuvent être fondées que sur l‘utilité commune.“ Und schon werden aus den Menschen- Männerrechte. Das war damals nicht nur eine sprachliche Spitzfindigkeit, die Frau hatte auch im revolutionären Frankreich nicht den Status eines mündigen Bürgers. Und so erhielten neben der Brüderlichkeit Freiheit und Gleichheit für weibliche oder sich gänzlich anders definierende Individuen einen faden Beigeschmack.
Eine, die sich das nicht gefallen lassen wollte, war Marie Olympe de Gouges. Sie verfasste die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin und legte sie 1791 der Nationalversammlung vor. Hier steht im ersten Paragrafen: „Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Mann an Rechten gleich.“ Anders als in der ausschließlich männlichen Version, vertritt de Gouges‘ Schrift zwei Geschlechter. Es heißt zum Beispiel weiter: „Das Ziel jeder politischen Vereinigung ist die Bewahrung der natürlichen und unverjährbaren Rechte von Frau und Mann…“ Wenn ihre Schriften auch politisch weitestgehend ignoriert wurden, so schien diese Frau den revolutionären Kräften zumindest so gefährlich, dass sie im Jahr 1793 hingerichtet wurde. Damit nahmen sie sie schließlich doch noch beim Wort, denn in Artikel 10 der Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin heißt es: „Die Frau hat das Recht das Schafott zu besteigen.“ Die zweite Hälfte der Forderung „Sie muss gleichermaßen das Recht haben, die Tribüne zu besteigen“, blieb in Frankreich bis 1946 ungehört, als Frauen endlich das Wahlrecht erhielten.
Viele mögen heute, am Internationalen Frauentag, aus dem einen oder anderen Grund das Gefühl haben, ein Tag für Frauen und Frauenrechte sei 2011 unangebracht. Man mag einwenden, Frauen haben emanzipatorisch bereits alles erreicht. Schließlich wird bald sogar ihre Autoversicherung genau so teuer sein wie die der Männer. Oder es sei der Gleichstellung hinderlich, wenn das eine Geschlecht einen Feiertag bekommt und das andere nicht. Der Muttertag wird ja auch ausgeglichen. Eine Überlegung wert ist auch der Vorwurf, dass es neben den in das geschlechtliche Schema von Mann und Frau passenden noch zahllose andere Menschen oder gar Spezies gibt, deren Rechte an keinem Tag im Jahr gewürdigt werden. Und ganz sicher ist es nicht erstrebenswert, einen weiteren Tag mit roten Rosen, Schmuckgeschenken und eigenen Grußkarten zu hypen.
Aber hey, man soll die Feste feiern wie sie fallen. Auch zum 100. Mal, wie in diesem Jahr. Oder sie zum feierlichen Anlass nehmen, mit Nachdruck all die Kleinigkeiten zu fordern, die auf dem Weg zur Gleichstellung aller Geschlechter eben doch noch nicht erreicht sind. Eine Sprache zum Beispiel, in der frau wenigstens ihren eigenen Tag begehen kann.
Denn die Dinge lassen sich ändern, das steht fest. Und das tut auch nur am Anfang weh. Oder ist irgendjemandem aufgefallen, dass dieser Artikel in der neuen Rechtschreibung geschrieben ist, über die sich vor ein paar Jahren die Gemüter noch so erhitzten? Paragraf statt Paragraph? Schon in wenigen Jahren könnte uns also das Studierendensekretariat kalt lassen und es könnte möglich sein ein Ministerinnenamt niederzulegen. Ich will ja gar nicht so weit gehen, die Fälschung einer Doktorinnenarbeit zu fordern.
Herzlichen Glückwunsch!