What comes back from cyberspace?Aram Bartholl in der Galerie [DAM] Berlin

Foto: Tobias Leingruber (alle Rechte vorbehalten)

Was passiert, wenn wir Orten aus der virtuellen Welt auf einmal in der realen Welt begegnen? Oder ist nicht längst die virtuelle Welt auch Teil unserer realen Welt geworden? Aram Bartholl verweist mit seiner Kunst auf spielerische Weise auf die komplexen Verstrickungen und Überlagerungen von digitalem und analogem Leben.  Der Künstler interveniert dabei meist im öffentlichen Raum und bedient sich alltäglicher Symbole, Formen und Codes, die sich ganz selbstverständlich in unser Leben eingeschlichen haben, ohne dass wir uns ihres Gebrauchs bewusst sind oder diesen reflektieren. Die Kunst dient hier als Denkanstoß sich dieser Allgegenwart bewusst zu werden und sich ihrer Sprache zu bedienen, um selbst aktiv am technischen Zeitalter teilzuhaben.

Bartholls wohl bekanntestes Werk Dead Drops, eingemauerte USB-Sticks als anonyme, allgemein zugängliche Datenablage, ist mittlerweile an vielen Orten weltweit zu finden und hat nun auch in der Außenwand der Galerie [DAM] Berlin ein Zuhause gefunden, im Rahmen von Bartholls erster Einzelausstellung „Reply All“. Unter anderem zeigt die Ausstellung auch die Arbeit 15 Secs of Fame,  die  für Aufmerksamkeit sorgte, nachdem Bartholl 2010 zufällig mit einem Google-Street-View Wagen in Berlin zusammen traf und diesem folgte, um sich auf der virtuell begehbaren Karte zu verewigen.

Auf sympathische und intelligente Weise befreit sich Bartholl vom Künstlermythos, indem er seine Arbeitsprozesse offen legt, um Wissen zu teilen und seine Betrachter zum selbstständigen Agieren und Eingreifen anzuregen. Die Guy-Fawkes-Masken, die zum Markenzeichen der Occupy- und Anonymous-Bewegung geworden sind, dabei aber widersprüchlicher Weise Geld in die Kassen des Medienkonzerns Warner Bros. spülen, kann der Besucher in How to Vacuum Form mittels einer Plastikplatte, eines umfunktionierten Toasters, einer Ton-Form und einem Blasebalg innerhalb von wenigen Minuten selber herstellen. In einem Video zeigt  Bartholl dann mit spitzbübischer Geste, wie man die Masken mit Hilfe eines einfachen Holzkonstrukts an höher gelegenen Stellen im öffentlichen Raum ohne viele Umstände in Sekundenschnelle platzieren kann.

Mit einer Replik des Spielelevels von Counterstrike überträgt Bartholl den Raum des von Tausenden besuchten und bespielten Online-Raums in die haptische Welt. Je besser der Spieler sich in den Räumen auskennt, desto erfolgreicher ist er im Kampf um Überleben und Töten. Die Überführung dieses fiktiven Ortes in ein physisches 3D-Modell ermöglicht eine ganz neue Wahrnehmung der vielen, ach so bekannten Räume.  Bartholls Traum, die Replik eines Tages in Lebensgröße zu übertragen, wäre eine spannende Konfrontation mit dem bizarren Gefühl und der Frage, wie man sich an einem Ort verhält, in dem man virtuell bereits viele Stunden verbracht hat, getötet hat, getötet wurde, und der auf einmal real wird.

Aram Bartholl ist ein Künstler dieser Zeit, in der digitale und analoge Welt nicht mehr von einander zu trennen sind. In seinem Repertoire  bedient er sich des Vokabulars der technischen Welt von Captcha Codes, QR-Codes, LED-Lampen, etc., um ihre Funktionen kreativ umzukehren und auf Funktionen, Potentiale und Verantwortungsbereiche in dieser hybrid gewordenen Realität aufmerksam zu machen. Er appelliert an uns als mündige, eigenverantwortliche Akteure einer Welt aus Codes, DIY Kultur, Upload-Plattformen, Netz-Restriktionen und Kampf um Offenheit im Netz. Bartholls Arbeiten sind intelligent und humorvoll, simpel und genial zu gleich.

„Reply All“ in der Galerie [DAM] Berlin war die erste Einzelausstellung des Künstlers Aram Bartholl und lief bis zum 10.03.2012.

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