Die Frauenfußball-Weltmeisterschaft wirft ihre Schatten voraus. Der Spielwarenkonzern Mattel hat die deutsche Nationaltrainerin Silvia Neid und ihre Spielführerin Birgit Prinz als Barbie-Puppen herausgegeben.
Die beiden Figuren im Masstab 1:6 sind Unikate und werden deshalb „One of a Kind Barbies“ genannt. Mattel versteht das Produkt als Würdigung des Wirkens öffentlicher Personen. In Deutschland hatte bisher nur die Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ehre gehabt. Diese Frauen seien Vorbilder, daran will Mattel erinnern, denn „50 Jahre lang hat Barbie Mädchen dazu ermutigt daran zu glauben, dass sie einfach alles werden können“, wie der Konzern schreibt.
Das war ja überhaupt das Revolutionäre an Barbie, als sie 1959 lanciert wurde. Sie war kein Kind mehr. Bisher waren Puppen dazu da gewesen, bemuttert zu werden. Barbie hingegen stellte eine junge Frau dar, die älter war als die Mädchen, die mit ihr spielten. Fortan dienten Puppen nicht mehr nur dazu, Mädchen auf die kommende Mutterrolle vorzubereiten. Sie sollten viele verschiedene Lebensentwürfe verkörpern. Tatsächlich hat Barbie bis heute weder geheiratet, noch hat sie Kinder; dafür mehrere Berufe. Begleitendes Spielzeug und – weil Barbie eine Modepuppe ist – vor allem Kleider lassen sie immer neue Identitäten annehmen. Annehmen heißt in diesem Fall: Kaufen. Mattel ist ein Milliarden-Unternehmen, Barbie die Ikone der Konsumgesellschaft.
Nun hat sie also die Gestalt von Silvia Neid und Birgit Prinz: Die Trainerin „trägt einen schwarzen Hosenanzug mit beigem Pullover. Dazu kombiniert sie einen schwarzen Schal und schwarze Stiefel.“ Die Stürmerin trägt einfach das rote Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Wie Neid und Prinz sehen sie trotzdem nicht aus. Gestalt annehmen ist schwierig mit einem Körper, der immer derselbe ist – und unter realistischen Gesichtspunkten gar nicht lebensfähig wäre. Dieser Körper ist, den multiplen Identitäten, die sich Barbie kaufen darf zum Trotz, immer und in millionenfacher Ausführung eindeutig eines: weiblich. Oder besser: Was man sich idealerweise darunter vorstellt. Dem entsprechen natürlich weder Neid noch Prinz wie auch sonst überhaupt niemand.
Neulich erklärte der Fußballgroßphilosoph und Meister des ebenso sprunghaften wie unabgeschlossenen Satzes Jörg Stiel, ehemals Borussia Mönchengladbach, im Fußballtalk des Schweizer Sportfernsehens etwas Ähnliches. In einem denkwürdig schwachen Moment gab der gewesene Torwart seiner Erleichterung Ausdruck, dass heute im Frauenfußball nicht mehr „Männer gewordene Frauen, sondern richtige Frauen“ zu sehen seien. Keine aus der Runde, inklusive der Präsidentin des Organisationskomitees der Weltmeisterschaft und ehemaligen Weltfußballerin Steffi Jones, widersprach ihm. Als wäre es an irgendwem anderem als an jeder einzelnen Frau, zu bestimmen, was das denn sei, eine „richtige“ Frau. One of a kind. Man war sich einig: Gut, dass der Frauenfußball heute weiblich sein darf. Das war leider nur die halbe Wahrheit. Den Slogan der WM im Ohr – „20elf von seiner schönsten Seite“ – und Neid und Prinz als Barbie vor Augen wird klar, was eigentlich gemeint ist: Der Frauenfußball darf nicht nur weiblich sein, er muss. Kommt das Verkaufsargument, geht die Freiheit.
Artikel zuerst erschienen im Schweizer Frauenfussballmagazin.
Auf Maedchenmanschaft.net gibt es weitere WM-News: http://maedchenmannschaft.net/zuckerpasse-und-frauenquoten-wm-news-2011/