Alles beginnt mit einem Husten. Dann blendet das Bild auf und man sieht Beth Emhoff (Gwyneth Paltrow) in einem Café am Flughafen in Chicago sitzen und mit ihrem Liebhaber telefonieren. Nebenbei nimmt sie sich ein paar Erdnüsse aus einer Schale vor ihr auf dem Tisch. Die Kamera fokussiert auf die Schale mit den Erdnüssen, dazu kommt die eingeblendete Information: „Day 3“. Der Katastrophenfilm-erfahrene Zuschauer ahnt: Hier bahnt sich etwas an und zwar nicht erst 28 Tage später. 24 Stunden später ist Beth tot, kurz darauf auch ihr Sohn, dahingerafft von einer mysteriösen Krankheit, die sie sich auf einer Geschäftsreise nach China eingefangen hat.
Zurück bleibt ihr verstörter Mann Mitch, gespielt von Soderberghs Dauerkollaborateur Matt Damon, der wie in dessen letztem Film „Der Informant“ erneut eine der Hauptrollen übernimmt. Auch in China und rund um die Welt, in verschiedenen US-Großstädten, London, Tokio, Hongkong, kurz: an den Schauplätzen der Globalisierung, ereignen sich Todesfälle. Bald ist klar: Ein bisher unbekanntes, extrem tödliches Virus breitet sich rasend schnell aus. Niemand weiß woher es kommt und es existieren weder wirksame Gegenmaßnahmen noch ein Impfstoff.
Das Setting kommt einem bekannt vor, genauso wie die weitere Handlung: Das Virus verbreitet sich und es beginnt die verzweifelte Suche nach einem Gegenmittel, begleitet vom fortschreitenden Zusammenbruch gesellschaftlicher Strukturen. Supermärkte und Apotheken werden geplündert, das Krankenhauspersonal streikt, Müll türmt sich in den Straßen. Viele Menschen sterben, darunter auch eine der Hauptfiguren, aber am Ende wird ein Impfstoff gefunden und die Menschheit kann aufatmen und zur Normalität zurückkehren.
Das wirklich Erstaunliche an Soderberghs Film ist, wie undramatisch das alles vonstatten geht. Das Geschehen wird distanziert, fast schon analytisch betrachtet. Die Kamera, wie immer von Soderbergh selbst geführt, haftet ihren Blick oft an Gegenstände – die besagte Schale Erdnüsse, einen Hefter mit Papieren im Büro, einen Knopf am Aufzug – oder Details wie einen Händedruck oder eine Umarmung und bringt die Formen der Übertragung und Ausbreitung der Seuche in den Fokus. Neben Mitch, durch den die Ereignisse aus der Perspektive eines betroffenen Durchschnittsbürgers präsentiert werden, folgt die Handlung größtenteils einem Team von Wissenschaftlern des U.S. Center for Disease Control (hochkarätig besetzt unter anderem mit Laurence Fishburne und Kate Winslet), die an verschiedenen Orten der Welt gegen die Seuche kämpfen. Doch es sind nicht so sehr die Einzelschicksale und die Emotionen der Figuren, die den Film interessieren. Es werden keine Helden konstruiert, auch keine tragischen. Zwar gibt es diese heldenhaften Momente, beispielsweise wenn Wissenschaftlerin Robby (Rene Rousso) eine Ansteckung riskiert, indem sie einen möglichen Impfstoff (erfolgreich) an sich selbst testet und damit letztlich Millionen Menschen das Leben rettet. Aber die ganz große emotionale Geste bleibt aus und dann ist die Handlung auch schon wieder am nächsten Ort und bei der nächsten Figur.
Somit bleibt Raum für den eigentlichen Protagonisten des Films: das Virus. Sämtliche gesellschaftlichen Aspekte und Auswirkungen einer Epidemie werden abgehandelt: das Vorgehen der staatlichen und internationalen Institutionen und der Wissenschaft, die Rolle der Medien (und der Blogosphäre), die Reaktionen der Bevölkerung. Geprägt durch zahllose Katastrophenfilme wartet man auf die nächste Eskalationsstufe, die jetzt wirklich ganz große Katastrophe, den Zusammenbruch der Zivilisation. Aber der bleibt aus. Am Ende gesellt sich der erfolgreich bekämpfte Virenstamm im Gefrierschrank des Hochsicherheitslabors zu seinen Vorgängern SARS und N1H1. Der Film lässt den Zuschauer seltsam unberührt zurück. Ob man ihm das als Stärke oder Schwäche auslegt, muss jeder selbst entscheiden. Aber so ähnlich würde sie wohl tatsächlich ablaufen, die ganz normale Katastrophe.
„Contagion“ ist seit dem 20. Oktober 2011 im Kino zu sehen.